Tierhaltung in Österreich – Geht’s noch nachhaltiger?

Tierhaltung in Österreich – Geht’s noch nachhaltiger?

Adrian Stiefsohn, Sales & Marketing Assistant
Mit der „Agenda 2030“ wurden von den Vereinten Nationen 17 Ziele für eine nachhaltige Entwicklung definiert. Diese sollen weltweit ein menschenwürdiges Leben ermöglichen und gleichzeitig die natürlichen Lebensgrundlagen bewahren. Auch der Sektor Landwirtschaft ist davon betroffen: einerseits durch die Sicherstellung der Ernährung einer wachsenden Weltbevölkerung und andererseits durch die Notwendigkeit einer umweltgerechten und nachhaltigen Lebensmittelproduktion. Welche Rolle unsere Landwirtschaft in diesem Spannungsfeld spielt, haben wir DI Franz Waxenecker, Direktor Digitale Services bei DSM, gefragt.

Wie hat sich die Landwirtschaft in Bezug auf Klima- und Umweltschutzmaßnahmen in den letzten Jahren verändert? Ist Kritik hinsichtlich mangelnder Umweltschutzmaßnahmen der Landwirtschaft gerechtfertigt?

Ich bin seit 25 Jahren im Bereich der Tierernährung tätig und nehme in den letzten Jahren verstärkte Kritik an der Tierproduktion in Bezug auf Umweltschutzmaßnahmen wahr. Ging die Kritik früher vorwiegend Richtung Nitrat- und Phosphateinträge in Oberflächen- und Grundwässer und später Richtung Antibiotikaverwendung als Leistungsförderer, so ist in den letzten Jahren verstärkte Kritik an den Emissionen aus der Tierhaltung wahrzunehmen. Weitgehend nicht wahrgenommen von der Öffentlichkeit haben Tierhalter und Fütterungsexperten ihre Hausaufgaben gemacht: Durch die optimierte Protein- und Phosphorversorgung von Nutztieren, einer exakteren Düngetechnik sowie die jährliche Bilanzierung kam es zu einer deutlichen Reduktion der Belastungen von Grund- und Oberflächengewässern. Ähnliches im Bereich der Antibiotikaverwendung: Europa ist seit 17 Jahren frei von antibiotischen Leistungsförderern. Und der Antibiotikaverbrauch je Kilogramm Lebendmasse zum Zweck der Therapie von Krankheiten liegt in der Veterinärmedizin schon lange unter jenem der Humanmedizin. Heute stehen Tierhaltung und Lebensmittel tierischer Herkunft in der Kritik, einen wesentlichen Beitrag zur globalen Erwärmung zu leisten. Es mag jeder für sich selbst bewerten, ob und welchem Ausmaß die globale Erwärmung menschengemacht ist, und wie hoch der Anteil der Landwirtschaft daran ist. Fakt ist aber, dass in der heutigen Wirtschaftswelt vieles an seiner Umweltwirkung bewertet, bemessen und bezahlt wird. So auch Lebensmittel. Fakt ist auch, dass Lebensmittel tierischer Herkunft wesentlich besser sind hinsichtlich ihrer Umweltbilanz als im öffentlichen Diskurs dargestellt. Aus diesem Grund ist es wichtig, selbst eine gute Wissens- und Datengrundlage aufzubauen, um nicht anderen die Kommunikation zu überlassen.

Welcher Anteil der in Österreich anfallenden Treibhausgasemissionen stammt tatsächlich aus der Landwirtschaft?

Die Gesamt-Emissionen waren im Lauf der letzten Jahre in Österreich schon rückläufig. Dabei haben die verschiedenen Branchen aber einen unterschiedlich großen Beitrag geleistet. Während speziell der Ausstoß des Sektors Verkehr und Flugverkehr deutlich anstieg, haben die Sektoren Gebäude, Abfallwirtschaft und Landwirtschaft den Ausstoß an Treibhausgas-Emissionen deutlich reduziert. Der Anteil der aus der Landwirtschaft an den gesamten Emissionen lag im Jahr 2021 bei 10,56 %. (Quelle: Dashboard Klimadaten, Umweltbundesamt)

Für welche Emissionen ist also eine durchschnittliche Österreicherin oder ein durchschnittlicher Österreicher verantwortlich? Welchen Anteil daran hat die Ernährung?

All jene, die im Februar heurigen Jahres an den BIOMIN Fachgesprächen teilgenommen haben, erinnern sich vielleicht an die Berechnung des CO2-Fußabdrucks einer durchschnittlichen Österrei- cherin. In diesem Fall lag dieser bei 12,6 Tonnen CO2 pro Jahr. Diese Menge hätte das Volumen von vier bis fünf Vortragssälen gefüllt. Mehr als die Hälfte verursacht durch Reisetätigkeit und Mobilität, gefolgt von den Emissionen aus Wohnen und Konsum. Der Anteil der Ernährung dieser Person lag bei lediglich 10-15 % gemessen an ihren Gesamt-Emissionen. Und der Anteil an Emissionen aus Lebensmitteln tierischer Herkunft würde den Vortragssaal gerade einmal 1,5 bis 2 Meter füllen. Verfolgt man den öffentlichen Diskurs dann könnte man meinen, dass die Ernährung der Hauptverursacher von Emissionen sei und dass durch einen Verzicht auf tierische Lebensmittel die globale Erwärmung zu stoppen wäre. Jüngere Zahlen belegen jedoch, dass dieser Anteil wesentlich geringer ist als allgemein kolportiert und dass nachhaltige Humanernährung nur mit Tierhaltung möglich ist (wie Professor Windisch einleuchtend erläutert hat). Ja, die Tierhaltung ver- ursacht klimarelevante Emissionen, aber bei weitem nicht in einem Ausmaß wie es allgemein propagiert wird. Diesbezüglich haben auch wir in der Landwirtschaft einen Auftrag, die Bevölkerung darüber aufzuklären. Wir müssen uns auch dessen bewusst sein, dass ein Großteil der Bevölkerung nach wie vor Fleisch, Fisch, Ei und Milch konsumieren will.

In welchem Bereich der Produktionskette von Fleisch fällt der Großteil der Emissionen an, wo gibt es hier den größten Hebel zur Optimierung?

Als Faustregel kann man sagen, dass bei der Produktion von einem Kilogramm Fleisch 65-75 % der anfallenden Treibhausgasemissionen aus der landwirtschaftlichen Produktion stammen. Der Rest stammt aus Schlachtung, Verarbeitung, Kühlung und Transport. Innerhalb des Anteiles der landwirtschaftlichen Produktion sind wiederum zwei Drittel den Futtermitteln zuzurechnen. Durchschnittliche österreichische Betriebe sind aufgrund der flächengebundenen Tierproduktion schon sehr effizient, was den Bereich Fütterung betrifft. Gründe dafür sind kurze Transportwege der Futtermittel, die energiesparende Futterkonservierung in Form von Silagen sowie die Verwendung von hofeigenen Wirtschaftsdüngern. Je gesünder ein Tier und je besser die Futterverwertung ist, desto besser ist auch die CO2-Bilanz der erzeugten Lebensmittel. Somit sind Maßnahmen zur Förderung der Tiergesundheit und der Futterverwertung auch Maßnahmen zur CO2-Reduktion.


Lebensmittel tieri- scher Herkunft sind Teil eines natürlichen CO2–Kreislaufes (grün). Um diesen Kreislauf in der modernen Lebensmittelproduktion am laufen zu halten, ist der Einsatz fossiler Energieträger notwen- dig (schwarz). Diesen gilt es zu bewerten und zu minimieren.

Warum ist es auch für einen österreichischen Betrieb von Bedeutung, die CO2-Bilanz des eigenen Betriebes bzw. der eigenen Produktion zu kennen? Wie kann DSM dabei unterstützen?

Einerseits sehen wir, dass Lebensmittelverarbeiter und Lebensmittelhandel aufgrund der verstärkten Sensibilität der KonsumentInnen Richtung Umwelt-Etikettierung von Lebensmittel tendieren, und dazu konkrete Zahlen von Tierhaltern verlangen. Andererseits sehen wir diesen Trend auch aus anderen Sektoren: Zum Beispiel kann die Verpflichtung zur Einhaltung von ESG-Kriterien im Bankensektor dazu führen, dass Projekte mit besseren Umweltbilanzen auch bessere Finanzierungskonditionen erhalten werden. Oder es kann durchaus sein, dass Zahlungen der öffentlichen Hand in Zukunft stärker an die Reduktion von CO2-Emissionen gebunden werden.

Nicht zuletzt ist es wichtig, die CO2-Bilanz des eigenen Betriebes zu kennen, um im Diskurs mit Konsumenten und Umweltorganisationen bessere Argumente zu haben und nicht alles glauben zu müssen, was „in der Zeitung“ steht.

DSM bietet mit SustellTM eine Softwarelösung zur Umwelt-Bilanzierung am tierhaltenden Betrieb. Zur Berechnung werden ausschließlich Daten benötigt, die für jeden Betrieb bereits vorhanden sind. SustellTM liefert Einblicke in die „Ist-Situation“ der eigenen Produktion und macht es möglich, verschiedene Optimie- rungs-Szenarien zu vergleichen.

DI Franz Waxenecker beschäftigt sich als studierter Tierernährer und Landwirt seit 25 Jahren intensiv mit den aktuellen Themen der Tierhaltung und Fütterung. Das Thema Nachhaltigkeit war für ihn als Tierernährer von Anfang an von großer Bedeutung und so beschäftig- te er sich vor 12 Jahren das erste Mal mit CO2 -Bilanzen von Futtermitteln aber auch von landwirtschaftlichen Betrieben. Heute ist DI Franz Waxenecker als „Senior Director Precision Services“ bei DSM für den globalen Aufbau der Sparte „Precision Services“ verantwortlich.

Interesse und Fragen? Gerne jederzeit unter franz.waxenecker@dsm.com