Zugluft macht die Schweine krank

Zugluft macht die Schweine krank

Dr. Wolfgang Schafzahl, Fachtierarzt für Schweine
Die Gesundheit der Schweine ist der wichtigste Faktor in der modernen Schweineproduktion, in diesem Punkt sind sich heute alle Stakeholder einig. Gesundheit in diesem Sinne ist das körperliche, geistige und soziale Wohlbefinden der Schweine. Es ist dabei völlig irrelevant, ob sie frei vom PRRS- Virus oder irgendeinem anderen Krankheitserreger sind, solange sie sich wohlfühlen, gesund sind und die Leistung stimmt. Dass unsere Schweine gesund sind, ist nicht nur aus tierschützerischer, sondern auch leistungsphysiologischer Sicht zu fordern. Schweine, welche gesund sind und sich wohlfühlen, bringen auch die höchste Leistung.

Es besteht heute große Einigkeit darüber, dass man Bestände vor Krankheiten schützen muss und keine Infektionserreger von außen einschleppen soll. Ebenso wurden in den letzten zwei Jahrzehnten sehr erfolgreich große Anstrengungen in den Bereichen Fütterung, Rezepturgestaltung, Fütterungshygiene und -lagerung, einschließlich der Sicherung der Rohstoffqualität getätigt. Auch die Entwicklung moderner Haltungssysteme hat wesentlich zur Gesundheitsverbesserung beigetragen.

Einen bitteren Wermutstropfen stellt jedoch das Stallklima dar. In diesem Bereich hat es in den letzten 30 Jahren, abgesehen von modern designten LED bestückten Lüftungskästen, keine nennenswerte Entwicklung gegeben, welche die Tiergesundheit wesentlich verbessert hätte. Die letzte revolutionäre Entwicklung weltweit war die bis heute nicht übertroffene Heraklith-Porendecke von Prof. Bartussek aus Gumpenstein zur Reduktion der Luftgeschwindigkeit in der Zuluftführung. Leider besteht das einzig technische Prinzip seit Jahrzehnten darin, dass ein ausschließlich temperaturgesteuerter Ventilator Frischluft in den Tierbereich befördert, obwohl heute bereits Kriterien des Wohlbefindens wie Aktivitätsmuster, Liegeverhalten, Körpertemperatur, neben Schadgasgehalten und Luftgeschwindigkeiten in die Lüftungsregelung einfließen könnten.

Fachzeitschriften und Lehrbücher sind voll mit Stallklimanormen, Merkblättern, Lüftungstabellen, Grenzwerten usw., mit denen man zwar die Flugbahn eines Staubkornes im Schweinestall berechnen kann, aber das einzig Wichtige, die Gesundheit der Tiere, vernachlässigt. In den letzten Monaten wurden in Stallungen sogar Ammoniakgehalte mit Messgeräten kontrolliert und Schweinebauern mit Strafen bedroht, obwohl es gar keine gesetzlich vorgegebenen Grenzwerte in Österreich gibt. Es ist nur vorgeschrieben, dass das Stallklima (Temperatur, Schadgase, Staubgehalt, ect.) der Gesundheit der Tiere nicht schaden darf. Ebenso dürfen laut Gesetz keine schädlichen Zuglufterscheinungen im Tierbereich auftreten. Es gibt im österreichischen Gesetz vernünftigerweise keine physikalischen oder chemischen Grenzwerte. Die Frage, was für die Gesundheit der Tiere unschädlich ist, kann nur ein Tierarzt beurteilen, nicht aber ein Stallklimatechniker.

Unsere tierärztlichen Erfahrungen der letzten 30 Jahre zeigen, dass in unseren Schweinestallungen überhöhte Schadgasgehalte, Staub oder falsche Temperaturen sehr selten als Krankheitsursachen in Frage kommen. Die größte Krankheitsursache im Ferkel- und Maststall stellt unbestritten kalte Zugluft dar.

Was ist Zugluft?
Zugluft ist die konvektive Abkühlung der Körperoberfläche, d.h. der dünne Wärmemantel, der unsere Körperoberfläche einhüllt, wird durch den Luftstrom der Lüftung weggeblasen. Die Belästigungsgrenze ist abhängig von der Temperatur, dem Turbulenzgrad und der Geschwindigkeit des Luftstromes. Da die Oberflächentemperatur des Körpers bei ca. 30 °C liegt, ist jede wärmere Luftbewegung angenehm und jeder kältere ein Stressfaktor für die Tiere. Einfach ausgedrückt: “Warmer Zug ist angenehm, kalter Zug macht krank.“ Es darf nicht übersehen werden, dass ein kalter Zuluftstrom durch die Lüftung nichts mit der Raumtemperatur im Stall zu tun hat. Schließlich weist dieser Luftstrahl die Temperatur der Außenluft auf und liegt somit in der Nacht so gut wie immer (auch im Sommer) mehrere Grad unter der Raumtemperatur. Eine Zuluftvorwärmung, welche sicherstellt, dass die Zuluft maximal 5 °C unter der Raumtemperatur liegt, wirkt sich positiv auf die Gesundheit der Tiere aus. Dies gilt auch für Zuluftführungen über Erdspeicher- oder Wärmetauschersysteme.

Schäden durch kalte Zugluft
Durch das „Wegblasen des Wärmemantels“, kommt es zu einer Störung des Wohlbefindens und einer Abkühlung der Schleimhäute. Stress entsteht bei den Tieren, Cortison wird ausgeschüttet, die Immunabwehr sinkt und die Tiere werden anfällig für Bakterien und Viren. Husten, Atemnot und infektiöse Lungenentzündungen bei Mastschweinen sind oft das Ergebnis von kalter Zugluft. Die APP (Actinobacillus-Pleuropneumonie) ist eine dieser Krankheiten, die meist durch kalte Zugluft und Temperaturschwankungen ausgelöst wird.
Weiters ist kalter Zug häufiger Auslöser von Kannibalismus, Ohrrandnekrosen und Nachrauschen von Sauen. Gerade während der ersten Trächtigkeitswochen dürfen Sauen nicht kalten Zuluftstrahlen ausgesetzt sein.

Was bringt eine Stallklimamessung?
Es gibt eine Vielzahl von Stallklimaparametern (Temperatur, Luftgeschwindigkeit und -feuchtigkeit, Gasgehalte, Staubkonzentrationen, Keimgehalte, Luftströmungen, usw.), die sehr wichtig sind, um eine Stallklimasituation zu objektivieren und zu dokumentieren. Deshalb werden auch in der tierärztlichen Bestandsbetreuung mehrere elektronische Messgeräte eingesetzt. Ein sehr wichtiger Kontrollpunkt ist die regelmäßige Überprüfung und Justierung der elektronischen Temperaturfühler im Stall, die aufgrund von Oxidations- und Alterungsprozessen oft falsche Temperaturwerte anzeigen. Zur Kalibrierung solcher Fühler eignen sich am besten Infrarottherometer (Abb. 3). Eine schädliche Belastung der Luft mit Ammoniak, Kohlendioxid und Schwefelwasserstoff kommt in modernen, klimatisierten Ställen kaum vor. Die langjährige Erfahrung in der Bestandsbetreuung von Schweinen zeigt, dass Ammoniak (> 20 ppm) in erhöhter Konzentration zwar belästigend für uns Menschen, aber selten gesundheitsschädlich für Schweine ist.

Wie steuere ich meine Lüftung?
Es ist vorauszuschicken, dass es bis heute noch keine vollautomatische Lüftungssteuerung gibt, da die angebotenen Lüftungssteuerungssysteme noch keine Tierparameter (Aktivitätsmuster, Gesundheitsstatus, Rasse, Nutzungsgruppen) in ihre Steuerungsalgorithmen aufnehmen können.


Deshalb sind Sie als Landwirt gefordert, mindestens zweimal täglich beim Stallrundgang diese Informationen mit Ihrer Expertise der Steuerung mitzuteilen. Es kommt dabei nicht darauf an, dass für Sie das Stallklima angenehm ist, sondern für Ihre Tiere.

Dabei sind mindestens folgende Parameter zu berücksichtigen:

Von diesen Punkten ausgehend, ist die Regelung bei Bedarf händisch zu justieren, um schädliche Zugluft im Tierbereich zu verhindern. Es gibt keine starren Temperarturvorgaben für Schweine. Die Temperatur ist im Tierbereich immer so einzustellen, dass sich die Tiere in einer thermoneutralen Umgebung befinden. Das bedeutet, dass die Schweine weder vor Kälte zittern noch vor Hitze hecheln. Dieser Temperaturbereich ist natürlich abhängig vom obigen Status der Tiere.

Kernkriterien zur Lüftungseinstellung:

Zur Veränderung der Luftförderrate des Ventilators (Volumenstrom), gibt es folgende Einstellmöglichkeiten:

Der Regelbereich ist jener Temperaturbereich oberhalb der Solltemperatur, innerhalb dessen sich die Ventilatordrehzahl auf das eingestellte Maximum erhöht, d.h. bei einer Solltemperatur von 24 °C + 6 K Regelbereich, erreicht der Ventilator bei 30 °C seine maximale Leistung. Somit ist die Lüftung bei einem höheren Regelbereich träger, als bei einem niedrigeren.
Lüftungsanlagen sind von ihrer Kapazität so aus-gelegt, dass bei maximalen Sommertemperaturen (> 30 °C) und Belegung (120 kg Mastschweine) der notwendige Luftaustausch sichergestellt werden kann. Es ist zu beachten, dass diese Situation nur an sehr wenigen Tagen im Jahr vorkommt und die Stallungen die meiste Zeit überbelüftet werden. Im Sommer führt das auch zu zusätzlicher Erwärmung der Stallluft.

Deshalb ist die maximale Ventilatordrehzahl in der Vormast unbedingt mit 50 % zu begrenzen, um Zugluft zu vermeiden. Als Orientierung können die Faustzahlen nach Abb. 1 genommen werden. Beim Einstallen neuer Mastferkel ist eine Stall-temperatur von 28 °C und eine Spaltentemperatur von 24 °C sicherzustellen.
Die genaue, tägliche Tierbeobachtung und der Eindruck des Bauern sind das wichtigste Instrument in der Stallklimaführung. Der Dresscode sollte ohne Kopfbedeckung und mit hochgekrempelten Ärmeln sein, um Zugluft auf der Haut zu spüren. Es bedarf keines elektronischen Equipments und keiner Normen und Tabellen, um eine Lüftung tiergerecht einzustellen. Es braucht nur etwas Zeit, Gefühl und Hausverstand.