Kühe sind die besten Berater und lügen nie

Kühe sind die besten Berater und lügen nie

Christian Manser, Kuhsignale-Trainer, Schweiz
Je mehr eine Kuh im Stall von den sechs Freiheiten der Weide erhält, umso gesünder ist sie und umso mehr Freude macht die Arbeit mit den Rindern. Gerade bei Neu- oder Umbauten von landwirtschaftlichen Gebäuden ist es besonders ratsam, sich mit den Anforderungen, welche eine Kuh an ihre Umgebung stellt, auseinander zu setzen. Oft werden die Möglichkeiten, die sich bei einem Bauvorhaben ergeben, nicht umfassend genutzt.

Was will die Kuh?

Sie und auch ihre Mitarbeiterin (Kuh) wollen im Stall möglichst lange erfolgreich zusammenarbeiten. Steht die Kuh in einer optimalen Umgebung, dann bleibt sie länger gesund und ist wirtschaftlich interessanter. Die Kuh wünscht sich letztlich im Stall nichts anderes als die sechs Freiheiten der Weide. Das sind Licht, Luft, Futter, Wasser, Ruhe und Raum. Dies gilt es beim Stallbau und bei Optimierungen zu berücksichtigen.

Grundbedürfnisse erfüllen

Beim Bau eines Milchviehstalles muss an erster Stelle das Wohl der Kuh stehen. Schließlich baut man einen Arbeitsplatz für eine Kuh und keinen Bürokomplex. Trotzdem soll die Arbeit rund ums Milchvieh auch dem Tierhalter Spaß machen. Es gilt bei der Planung, unter anderem, speziell auch die unten stehenden Besonderheiten des Rindviehs zu beachten.

Die Kuh:

  • ist kein Höhlenbewohner
  • ist ein Herdentier (gemeinsam fressen, gemeinsam liegen, nahe bei der Herde abkalben)
  • ist ein Fluchttier (schwache Tiere vermeiden Rangkämpfe wann immer möglich)
  • produziert mit einem Drittel ihres Körpergewichts Wärme („Biogasanlage“ im Pansen)
  • mit einer Tagesleistung von 40kg Milch fühlt sie sich bei Temperaturen zwischen -6 und +6 Grad Celsius am wohlsten
  • gibt viel Flüssigkeit über den Harn, den Schweiß und die Atemluft ab
  • gibt Kohlendioxid, Methan und Ammoniak an die Luft ab
  • bewegt sich nur für die Futtersuche und für die sozialen Kontakte und legt sich dann hin
  • liegt auf einem optimalen Liegeplatz bis zu 14 Stunden pro Tag

Haupterfolgsfaktor Liegebereich

Wissen Sie, dass die Liegefläche für den Erfolg im Stall der entscheidende Faktor ist? Die Euteraufhängung und das Fundament (Klauen und Gelenke) werden beim Liegen entlastet und vor allem in gut durchlüfteten Ställen trocknen beim Liegen die Klauen gut ab (beugt Klauenfäule und Mortellaro vor). Rund um den Liegebereich sollen keine oder nur ganz niedrige Wände erstellt werden. Es gilt zu beachten, dass nicht nur frische Luft in den Stall, sondern viel mehr auch die mit Schadgasen, Wärme und Feuchtigkeit versetzte Luft von den Tieren weggeführt werden muss. Krankheitserreger lieben Wärme und Feuchtigkeit. Legen Sie sich selber einmal in die Liegebox und spüren Sie den Unterschied der Luftqualität in der Nase! Sie werden staunen. Die Luft, die ungehindert durch den Stall strömt und das Tageslicht sind gratis. Das muss genutzt werden. Schon allein das Entfernen sämtlicher Fenster kann die Bedingungen im Stall wesentlich verbessern.

Die Wiederkautätigkeit und damit die Speichelbildung sind im Liegen intensiver. Dies wirkt sich positiv auf die Verdauung und auf die Klauengesundheit aus. Im Liegen erholt sich die Kuh, sie spart Energie und hat dadurch eine verstärkte Immunabwehr. Ausgeruhte Tiere legen sich nach dem Melken nicht sofort hin, was zu einer besseren Eutergesundheit führt. Je länger dominante Tiere liegen, umso mehr Freiheiten geniessen die rangniederen Kühe daneben. Im Liegen produziert eine Milchkuh zudem durchschnittlich 1 kg mehr Milch pro Stunde als im Stehen.

Der Liegebereich sollte trocken, weich und trittsicher ausgeführt sein. Eine harte Unterlage (testen Sie es selbst mit einem Kniefall aus 20 cm Höhe) wirkt alles andere als einladend und führt zu schmerzenden, verdickten Karpal-, Euter- und Sprunggelenken. Auch bei Kühen sind solche Schwellungen nicht nur optisch nachteilhaft, sondern führen zu Leistungseinbußen und zu vorzeitigen Abgängen. Mit dem Einbau einer Stroh-Mistmatratze kann das Abliege- und Aufstehverhalten wesentlich verbessert und die Liegedauer nachweislich erhöht werden.

Stressfreie Abkalbelinie

Kranke und schwache Tiere (frisch abgekalbte, Erstmelkkühe oder ältere Kühe) müssen einfach beobachtet und versorgt werden können. Stehen diese beispielsweise gemeinsam in einer Gruppe auf Tiefstroh, so kann ich sie einfacher beobachten und einfacher behandeln. Die Erholungszeit wird verkürzt und die Tiere können schneller zurück in die Gesamtherde gebracht werden.

Fehler auf dem Papier kosten nichts

Es ist für den Bauherrn nicht immer einfach die notwendige Unterstützung für sein Generationen-Bauwerk zu finden. Jeder verkauft seine Dienstleistung und sein Produkt in der Annahme es sei das Beste auf dem Markt oder vor allem in seinem Sortiment. Bei jedem Bauteil muss die Frage nach der Notwendigkeit gestellt werden. Jede Außen- und Innenwand ist zu hinterfragen. Muss hier tatsächlich eine Wand sein? Muss die Wand so hoch sein? Muss es Beton sein oder reicht Holz oder gar eine einfache Abschrankung mittels Metallstange? Zeigen Sie Ihren Stallbauplan rechtzeitig einem Berufskollegen. Haben Sie den Mut mit einem unabhängigen Berater den Plan zu hinterfragen. Bedenken Sie, dass Fehler die im Plan entdeckt werden und erst auf dem Papier stehen nichts kosten. Im Gegenteil: Der Bauherr kann sich an jedem frühzeitig ausgeschalteten Fehler freuen. Beton dagegen ist nach 24 Stunden hart. Spätestens dann wird es schwer, etwas zu ändern. „Meine Erfahrungen zeigen, dass jede nicht gebaute Betonwand eine gute Wand ist.“

Christian Manser, Fachstelle Rindvieh, Landwirtschaftliches Zentrum SG, Flawil Das LZSG bietet regelmäßig Workshops zum Thema „Kuhsignale verstehen“ an und organisiert Stallbauseminare.
www.landwirtschaft.sg.ch