Klauengesundheit – das A und O in der Rinderhaltung

Klauengesundheit – das A und O in der Rinderhaltung

Dr. Walter Peinhopf-Petz, VET - Tierärzte OG
Die Klauengesundheit zählt neben der Fruchtbarkeit und der Eutergesundheit zu den drei wichtigsten Gesundheitsmerkmalen in der Milchviehhaltung, aber auch in der Rindermast können diese eine große Rolle spielen.
Hochgradig lahme Kuh mit gekrümmtem Rücken, gesenktem Kopf und Entlastung des rechten Hinterbeines.

Das Motto: „Wer rasch hilft, hilft doppelt!“ ist für die Klauengesundheit besonders zutreffend. Zum einen, weil dadurch Leistungseinbußen verhindert werden können und zum anderen, weil dann schwere Erkrankungen meist erst gar nicht entstehen. Der erste Schritt für eine rasche Hilfe ist die Lahmheitserkennung. Dabei werden fünf Lahmheitsgrade (0 = „nicht lahm“ bis 4 = „hochgradig lahm“) unterschieden. Im ersten Grad erkennen wir am gehenden Tier einen gekrümmten Rücken. Diesen sehen wir im Grad zwei auch schon im Stehen. Sobald das Gangbild ein deutliches Hinken aufweist, handelt es sich um Grad drei. Im vierten Grad wird der betroffene Fuß auch beim Stehen deutlich entlastet. Verschiedene Untersuchungen haben ergeben, dass die Milchmenge bei Lahmheiten im dritten und vierten Grad um 17 % bzw. 36 % vermindert ist. Daneben zeigen sich natürlich auch deutliche Probleme in der Fruchtbarkeit: durch die verminderte Futteraufnahme (bis zu 16 % geringer) wird der Stoffwechsel belastet und die Tiere schmerzbedingt verminderte Brunstsymptome zeigen. Neben einer raschen Diagnose mit entsprechender Klauenpflege, ist das Wissen um die Ursachen von Klauenerkrankungen für gute Vorbeugemaßnahmen entscheidend. Auf Herdenebene sprechen wir hier von den „4 M“: mechanisch – mikrobiell – metabolisch – multifaktoriell

Lahmheiten mindert die Milchmenge und Fruchtbarkeit.



Ursachen

Bei den mechanischen Ursachen sind Fehlbelastungen durch überwachsene Klauen, Überbelastungen durch lange Stehzeiten oder auch Verletzungen auf glatten Böden und durch Stufen zu nennen. Mikrobielle Probleme sind alle bakteriell bedingten Erkrankungen im Zehenbereich. Ballenfäule und Panaritium fallen ebenso in diese Kategorie, wie Mortellaro oder eine Infektion des Klauenbeines. Im Gegensatz zu diesen beiden lokal bedingten Erkrankungsursachen, stellen metabolische (=stoffwechselbedingte) Ursachen ein komplexeres Problem dar. So können Fütterungsfehler mit Pansen- oder Dickdarmübersäuerungen zu einem massiven Anstieg von Entzündungsmediatoren führen, die dann in den feinen Gefäßen der Klauenlederhaut entsprechende Schäden anrichten. Ebenso bewirken Stoffwechselprodukte abgestorbener Bakterien nach einer schweren Euter- oder Gebärmutterentzündung Veränderungen an der Lederhaut und führen damit zu einer Klauenrehe. Das vierte „M – multifaktoriell“ stellt eine Kombination der bereits genannten Ursachen dar!

Funktionelle Klauenpflege

Ein wesentlicher Teil der Therapie aber auch der Vorbeuge ist die „funktionelle Klauenpflege“. Zum einen lassen sich dadurch Fehlstellungen und Druckbelastungen vorbeugend ausschalten und zum anderen werden erkrankte Bereiche der Lederhaut entlastet und können somit wieder gesundes Horn bilden.








Richtige Entlastung von Druckstellen

Saubere Laufgänge, komfortable Liegeflächen und gute Ventilation als Voraussetzung für gesunde Klauen.

Im Wesentlichen umfasst diese, heute von allen renommierten Klauenpflegern angewandte Methode, fünf Schritte. Zunächst wird die Klaue auf die richtige Länge gekürzt (7,5 cm an der Vorderwand – 8 cm beim Braunvieh!). Im 2. Schritt wird die Sohle an beiden Klauen einer Extremität auf eine gemeinsame, horizontale Ebene geschliffen, wobei eine Sohlendicke (gemessen an der Spitze der Klaue) von ca. 7 mm angestrebt wird. Danach folgt die Hohlkehlung, die an der hinteren Außenklaue auf etwa 2/3 der Sohlenbreite ausgedehnt werden muss. Dadurch wird die Druckstelle des Sohlengeschwüres vorbeugend entlastet. Bei der Hohlkehlung ist allerdings zu beachten, dass sie niemals bis zur Klauenspitze reichen darf, sondern im vorderen Drittel der Sohle eine stabile Fläche mit innerem Tragrand (ca. 3 cm) bestehen bleiben muss. Der 4. Schritt besteht im Glätten der Ballenbereiche, wo loses Horn mit dem Klauenmesser entfernt wird. Erst jetzt wenden wir uns den Defekten zu und entfernen infizierte Hornbereiche oder entlasten Druckstellen. Gerade das Anbringen von Stöckeln zur Entlastung stellt eine wichtige Maßnahme dar, die besonders bei neumelkenden Tieren regelmäßig durchgeführt werden muss um sie möglichst rasch wieder schmerzfrei an den Futtertisch zu bringen. Wird die Klauenpflege nicht rechtzeitig oder fachlich inkorrekt durchgeführt, kann es zur Infektion tieferer Gewebsschichten kommen. Vor allem das Klauengelenk und die tiefe Beugesehne werden dabei rasch in Mitleidenschaft gezogen. Hier kann dann nur noch eine Operation oder Amputation durch den Tierarzt zu einer Heilung führen.

Zu einer korrekten Klauenpflege gehört auch eine entsprechende Dokumentation der Befunde. Diese Klauenpflegeprotokolle helfen uns, die Ursachen von Klauenproblemen aufzudecken.
Treten vermehrt Klauensohlengeschwüre im Betrieb auf, so ist meist eine zu geringe Hohlkehlung daran schuld. Zum einen kann es sich um einen Klauenpflegefehler handeln, zum anderen kann aber auch starker Abrieb dafür verantwortlich sein. Weiters ist auch das Fehlen des Fettpolsters in der Sohle, wie er bei starkem Konditionsverlust auftritt, mitverantwortlich für Sohlengeschwüre.
Seitenwanddefekte treten auf, wenn Kühe lange Zeit mit den Vorderbeinen in den Boxen stehen und damit das Gewicht nach hinten verlagern. Fehlender Kuhkomfort oder Hitzestress sind oftmals die Auslöser. Auch enge Wendungen (z.B. bei Melkstandausgängen) führen durch Scherkräfte zu Wanddefekten. Dasselbe Phänomen finden wir, wenn Tiere bei Sackgassen durch rasche Wendungen versuchen, einander auszuweichen.

Bestandesprobleme erkennen und Handlungen setzen!

Manchmal sind auch Klauenspitzengeschwüre ein Bestandsproblem. Die Ursachen dafür liegen entweder in falscher Klauenpflege (Dünnschneiden der Sohle) oder in neuen oder frisch aufgerauten Böden. Die mikrobiell verursachten Erkrankungen wie Panaritium, Ballenfäule oder Mortellaro sind stets durch hygienische Maßnahmen zu verbessern, wobei der Frequenz von Schrappern und dem Einsatz von Spaltenschiebern besondere Beachtung zukommt. Beim Panaritium ist jedoch auch auf potenzielle Verletzungsrisiken im Zwischenklauenspalt zu achten, wo in der Folge Bakterien eindringen. Dabei kann es sich um Steine oder Eisklumpen im Auslauf ebenso handeln, wie um abgerissene Schrauben von Aufstallungselementen, die aus dem Boden ragen.
Finden sich in den Protokollen vermehrt Hinweise auf Klauenrehe, so muss in jedem Fall die Fütterung in Hinblick auf Rohfaserversorgung, Stärkeeinsatz und -verdaulichkeit überprüft werden. Somit ergibt sich aus den Maßnahmen Lahmheitserkennung, funktionelle Klauenpflege und Beurteilung der Klauenpflegeprotokolle ein klarer Leitfaden. Dieser sollte jedem Betrieb ein strukturiertes Vorgehen zum Erhalt der Klauengesundheit und zur Behebung von Fehlern in Fütterung und Management ermöglichen.