Zu den aktuell besonders drängenden Herausforderungen zählt die Minimierung des Einsatzes antibiotisch wirksamer Substanzen, da hiermit die Resistenzentwicklung bei Keimen verbunden ist, die dann auch den Menschen betreffen kann. Gerade Störungen der Magen- Darm- Gesundheit waren und sind immer noch ein bedeutsamer Grund für den Einsatz von Antibiotika. Nicht zuletzt bestimmen Schlagworte wie Tierwohl, Lebensmittelsicherheit und Verbraucherschutz die öffentlichen Diskussionen zur modernen Schweineproduktion. In diesem Kontext istes dann auch eine Aufgabe der Tierernährung als wissenschaftliche Disziplin, mögliche fütterungsbedingte Risiken für die Magen- Darm- Gesundheit zu benennen und entsprechende Lösungsansätze zu entwickeln, mit denen man den zuvor genannten Herausforderungen begegnen kann.
Warum die Begrenzung auf die Magen- Darm- Gesundheit?
Es ist unbestreitbar, dass es in der Schweinehaltung eine ganze Reihe von Problemen gibt, die nicht primär der Fütterung zuzuordnen sind, so zum Beispiel die ungünstigen Veränderungen im Geburtsgewicht der Ferkel bei steigender Wurfgröße, die Häufung von Verhaltensstörungen, wie Schwanzbeißen bei massiven Mängeln in der Stallklimaführung oder ganz spezifische Infektionen des Magen- Darm- Trakts mit Erregern wie Lawsonien, Brachyspiren oder auch Kryptosporidien. Da sind andere Maßnahmen gefordert, wie z.B. in der Zucht, im Hygienemanagement (Bestandsabschirmung) oder auch tierärztliche Behandlungen (z.B. Impfungen).
Was versteht man unter Magen- Darm- Gesundheit?
Eine diesbezügliche Antwort ist nicht einfach, da hier mehrere Facetten/ Aspekte und Zusammenhänge immer parallel mitbedacht werden müssen. Der Verdauungskanal soll sich dem Alter entsprechend entwickeln und zwar in seiner Größe (Anatomie), seinem Wandaufbau (Histologie), um so seiner primären Aufgabe (Aufnahme von Energie und Nährstoffen aus dem Futter- bzw. Nahrungsbrei in das Tier) nachkommen zu können. Dabei kann die darmeigene Bakterienflora eine Hilfe sein bzw. sind „fremde“ Keime eventuell auch nachteilig oder zerstören gar die Darmwand. Schließlich ist der Darm auch eine Lokalisation, an der die körpereigene Abwehr mehr oder weniger dauernd gefordert ist.
Hier sind sogar „Überreaktionen“ möglich, wie es unter anderem aus der Humanmedizin („Allergie“) bekannt ist.
Struktur/ Rohfaser/ Faser/ Ballaststoffe im Futter?
Die oben genannten Begriffe sind zunächst voneinander abzugrenzen, um die nachfolgend beschriebenen Auswirkungen im Verdauungstrakt verstehen zu können. Die „Struktur“ im Futter von Schweinen kennzeichnet erst einmal nur die vorliegenden Partikelgrößen und deren Verteilung, die man über eine Siebung quantifiziert. Gröbere Anteile bleiben auf dem Sieb, feinere fallen durch, so dass man mit mehreren übereinander angebrachten Sieben mit unterschiedlichen Maschenweiten eben auch genauere Vorstellungen zur Verteilung der Partikelgrößen bekommt. Es versteht sich von selbst, dass man ein pelletiertes oder granuliertes Mischfutter nicht direkt, sondern erst als „Bier“ (d.h. nach Zugabe von Wasser und Zerfall des verpressten Materials) sieben kann.
Werden z.B. Gersten- und Weizenkörner in einer Mühle unter identischen Bedingungen (gleiches Sieb, dieselben Umdrehungen) gesiebt, so ergibt sich dennoch nicht dieselbe „Struktur“ im Sekret“, da hier die Spelzenanteile der Gerste eben zu einem „gröberen” Charakter des Schrotes führen. Nicht unerwähnt soll bleiben, dass auch nach der Vermahlung eventuell noch „Struktur“ verloren gehen kann und zwar z.B. bei der Pelletierung, Granulierung oder auch im Flüssigfutter, wenn dieses vor dem Angebot über mehrere Stunden bevorratet und dabei eventuell auch noch gerührt wird. Seit Jahrzehnten (erste Berichte dazu aus den ö0er Jahren des vorigen Jahrhunderts) ist bekannt und vielfach auch experimentell nachgewiesen, dass eine zu feine Vermahlung bei Schweinen zu Magengeschwüren führt, die typischerweise direkt am Mageneingang auftreten.
Andererseits sind derartige Störungen der Magengesundheit durch ein eher gröberes Schroten/ Vermahlen zu vermeiden. So unbestreitbar es ist, dass ganze, unvermahlene Körner im Futter nachher mehr oder weniger wieder im Kot auftauchen, so wenig zu bezweifeln ist die Tatsache, dass heute eine weniger intensive Vermahlung nicht zu Einbußen in der Verdaulichkeit des Futters führen muss. Das Getreide sollte also als „Strukturlieferant“ gesehen und genutzt werden, während die Proteinfuttermittel im Sinne einer effizienten Verwertung schon deutlich feiner vermahlen sein sollten.
Die „Rohfaser“-Gehalte in Futtermitteln ergeben sich aus der chemischen Analyse. Diese Fraktion ist in ihrer chemischen Zusammensetzung sehr variabel: Die Rohfaser aus der Spelze von Hafer, aber auch Gerste, ähnlich die aus Stroh, ist eine ausgeprägt „harte“, d.h. auch von Mikroorganismen im Verdauungstrakt von Schweinen kaum abbaubare Fraktion, während die Rohfaser aus Trockenschnitzeln, Sojabohnenschalen oder Karottentrester eine besonders „weiche“, d.h. von der Flora leicht und schnell abbaubare Fraktion darstellt.
Die Begriffe „Nahrungsfaser” oder auch „Ballaststoffe” bedeuten aber etwas ganz anderes: sie fassen mehr oder weniger alles zusammen, was nicht durch körpereigene Enzyme erschlossen wird, sondern nur mittels der Darmflora, d.h. mikrobiell gebildeter Enzyme. Dazu zählen dann auch Substanzen, die man bisher als eher nachteilige Inhaltsstoffe im Futter angesehen hat, wie z.B. die Nicht- Stärke-Polysaccharide im Getreide oder gar die „rohe“ Kartoffelstärke, die nicht im Dünndarm verdaut wird und deshalb die Gärkammer des Schweines erreicht.
Bestimmte Stärken oder ähnliche Kohlenhydrate gehören mit zu den „Ballaststoffen“, die erst im Dickdarm einem Abbau und einer Nutzung unterliegen. Vor diesem Hintergrund ist es hilfreich, sich die Unterschiede am Beispiel von Getreidearten zu verdeutlichen: Unbestreitbar ist der Hafer das rohfaserreichste Getreide, für die Humanernährung gilt jedoch der Roggen als Favorit, wenn es um eine möglichst hohe Aufnahme von Ballaststoffen geht. Roggen hat besonders hohe NSP- Gehalte (insbesonders Arabinoxylane und Fructan), die leicht und nahezu vollständig im Dickdarm abgebaut und verwertet werden.
Bedeutung von Strukur- und Fasergehalt bei Schweinen:
Nach dem Schaubild/ Schema des Verdauungstraktes von Schweinen haben die zuvor behandelten Aspekte eine maßgebliche Bedeutung für die Masse an Nahrungsbrei, die den Dickdarm erreicht.
Darüber hinaus gelten im Dickdarm verschiedene Gesetzmöglichkeiten, wie sie vom Pansen der Wiederkäuer bekannt sind. Wenn beispielsweise das Getreide nur gröber vermahlen wird, erreichen auch mehr Kornbruchstücke mit einem Reststärkegehalt den Dickdarm. Heu oder Grünmehl- Anteile im Futter würden mehr Rohfaser in den Dickdarm bringen, auch die NSP werden kaum im Magen- Dünndarm-Bereich verdaut, sondern vornehmlich im Dickdarm. Wann immer mikrobiell abbaubares Substrat in den Dickdarm kommt, bildet die dort ansässige Flora- wie im Pansen- flüchtige Fettsäuren, d.h. Essig-, Propion- und Buttersäure. Wie vom Pansen bekannt, bestimmen also Futterzusammensetzung und Fütterung ganz entscheidend, wie viel und welche Art von flüchtigen Fettsäuren entstehen; ca. 90 Prozent der hier gebildeten Fettsäuren werden aus dem Dickdarm in das Tier aufgenommen, die restlichen 10 Prozent gehen allerdings mit dem Kot verloren.
Schlussfolgerungen/ Zusammenfassung
Sehr stark vereinfachend ist festzustellen, dass in den letzten Jahrzehnten die Fütterung von Schweinen fokussiert war auf eine Maximierung der Energie- und Nährstoffaufnahme aus dem Dünndarm und der Dickdarm eher als ein störendes Anhängsel des vorderen Darmtrakts betrachtet wurde. Vor diesem Hintergrund verständlich ist dann auch die nicht selten festzustellende, übertriebene Vermahlungsintensität, die – auch nach neuesten Untersuchungen zum Vorkommen von Magengeschwüren bei Schlachtschweinen – mit der Forderung nach einem Mehr an Tierwohl unvereinbar ist. Die Magen- Darm-Gesundheit ist längerfristig nur zu fördern bzw. zu sichern, wenn auch die Dickdarmflora versorgt und ihr Potential genutzt wird. Hier ablaufende Fermentationsprozesse können durch die Mischfutterstruktur und den „Fasergehalt” ganz erheblich moduliert werden, nicht zuletzt im Sinne von Tierwohl, Lebensmittelsicherheit aber auch Verbrauchererwartung. Schließlich bieten sich Ansätze, mit der Förderung der Darmgesundheit auch das Vorkommen von Verhaltensstörungen im Schweinebestand zu mindern.